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Häufige Fehlstellungen bei Kindern – Interview mit Dr. Ulrich Scheibl

Kinder- und Neuroorthopäde Dr. Ulrich Scheibl gibt uns einen informativen Einblick in die wichtigsten Themen rund um die typischen orthopädischen Fehlstellungen bei Kindern ab dem Grundschulalter: "Regelmäßiger Sport trägt wesentlich zu einem gesunden Leben im Erwachsenenalter bei."

Die Basis für eine gute Gesundheit wird bereits im Kindesalter gelegt. Unser Bewegungsapparat ist unser einzigartiges Werkzeug, welches uns durch unser gesamtes Leben begleitet und nicht austauschbar ist. Umso wichtiger ist es, dass wir bereits früh auf eine gute Entwicklung unserer Kinder achten. Dazu gehört die notwendige Aufmerksamkeit für die Bewegungsentwicklung unserer Kleinen sowie das richtige Wissen um gute Schuhe, Übungen und Alltagsroutinen.


Herr Dr. Scheibl, wir haben bereits zur frühkindlichen Entwicklung des Bewegungsapparates von Kleinkindern bis zum Schulalter gesprochen. Wenn wir uns Grundschulkinder ansehen, gibt es da Unterschiede was man beachten sollte?

Grundsätzlich nicht. Bei Kleinkindern werden die ersten Bewegungen geformt und die Kinder lernen Ihren Körper und ihre motorischen Möglichkeiten erst kennen. Zudem verändert sich beispielsweise die Beinstellung bei Kindergartenkindern im Verlauf der Zeit. O-Beine werden teilweise zu X-Beinen und danach zu ganz normalen geraden Beinstellungen. Im Grundschul- bzw. Volksschulalter, also ab 6 bis 10 Jahren, werden dann erste mögliche Fehlstellungen richtig sichtbar. Besonders was die alterstypische Entwicklung angeht, kann man dann vorbeugend handeln.

Was sind die klassischen Kinderbeschwerden bzw. Probleme, mit denen Eltern mit ihren Kindern zu Ihnen kommen?

Die meisten Eltern kommen mit ihren Kindern wegen Senk- bzw. Knickfüssen, Innenrotationen – bspw. wenn die Zehenspitzen der Kinder beim Gehen nach innen zeigen – oder X-Beinen. Weitere häufige Problematiken sind Spitzfussgeher und O-Beine. Dabei kann oft auch Entwarnung gegeben werden, denn die Beinstellung entwickelt sich in den ersten Lebensjahren und X-Beine sind im Grundschulalter etwas eher normales. Als Orthopäde eingreifen muss man meist dann, wenn die Kinder bspw. mit 12 Jahren noch immer X-Beine haben oder die Beinstellung so extrem ist, dass die Knie aneinanderstossen.

„X-Beine im Grundschulalter sind, sofern die Kinder mit den Knien nicht anstossen, normal. wenn Kinder bspw. mit 12 Jahren noch X-Beine haben, sollte man das vorsorglich mit einem Orthopäden abklären.“

In Österreich ist beispielsweise im Rahmen der Mutter-Kind-Pass Untersuchungen kein jährliches Untersuchungsintervall vorgesehen. Eltern sind daher darauf angewiesen, selber auf etwaige Fehlstellungen zu achten. Worauf sollten Eltern aus orthopädischer Sicht achten um frühzeitig Fehlstellungen und derartiges zu erkennen?

Fehlstellungen treten oft bei der Wirbelsäule oder am Gehapparat der Kinder auf. Aus meiner Sicht ist es sinnvoll, wenn Eltern Ihre Kinder daher regelmäßig auf die Symmetrie und mögliche Schieflagen der Wirbelsäule achten. Sollte eine Wirbelsäule von hinten ungerade aussehen, sollte das mit einem Orthopäden abgeklärt werden. Ebenso sollte auf Anomalien bei der Gangart geachtet werden. Knickt der Fuss beim Gehen ein? Kippt das Kind auf eine Seite beim Gehen? Wir als Eltern haben ohnehin ein gutes Gefühl dafür, was „normal“ aussieht und was nicht. Auffälligkeiten sollten keinesfalls ignoriert und sicherheitshalber mit einem Facharzt abgeklärt werden. Denn im Kindesalter lassen sich viele Fehlstellungen noch gut korrigieren. Später, im Erwachsenenalter, ist vieles dann nur mühsam zu therapieren oder gar nur mit Operationen korrigierbar.

Sie sprechen von Kindern, deren Füße beim Gehen einknicken. Also Knick- bzw. Plattfüssen. Wie schwerwiegend sind Knickfüße bei Kindern?

Grundsätzlich muss man wissen, dass sich die Fussentwicklung in den ersten 10 Jahren eines Kindes abspielt. Gerade bei der Fussstellung herrscht bei Eltern eine große Unsicherheit, sieht man einen Knickfuss, macht man sich als Eltern Sorgen. Doch gerade bei Knickfüssen sollte man in Absprache mit einem Facharzt entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten. Bei Plattfüssen kann man bereits im Alter von 5 bis 6 Jahren entgegenwirken und so mühsame Therapien im Nachgang vermeiden.

„Bei Fehlhaltungen der Füsse wird auch die Haltung der Beine, Hüfte und in Folge der Wirbelsäule beeinflusst. Der Plattfuss kann somit die Körperhaltung im Erwachsenenalter beeinflussen und die Beckenstabilität einschränken.“

Plattfüsse wirken manchmal wie eine „Volkskrankheit“. Wird diese Fehlstellung unterschätzt? Wie nachhaltig sind die Schäden, die Knickfüsse bei Kindern im Erwachsenenalter anrichten können?

Hierzu ist wichtig zu beachten, dass unser Bewegungsapparat eine Art Gliederkette ist. Bei Fehlhaltungen der Füsse wird auch die Haltung der Beine, Hüfte und in Folge der Wirbelsäule beeinflusst. Der Plattfuss kann somit die Körperhaltung im Erwachsenenalter beeinflussen und die Beckenstabilität einschränken. Bei stärkeren Fehlhaltungen kann er gar Schmerzen verursachen, das ist auch bereits im Alter von 10-12 Jahren möglich. Sehr starke Fehlstellungen können im Erwachsenenalter dann nur operativ korrigiert werden, was jedoch bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung im Kindesalter vermieden werden kann.

Wie wird dann ein Knick- bzw. Plattfuss im Kindesalter therapiert?

Es gibt spezielle Übungen für die Fussmuskulatur, die gezielt und in Absprache mit einem Physiotherapeuten eingesetzt werden können. Ziel ist dabei die zielgerichtete Aktivierung der Fussmuskeln. Ergänzend können diese Therapien auch mit speziellen Schuheinlagen unterstützt werden.

Wir hören und lesen immer öfter davon, dass Kinder immer unsportlicher werden. Wie sehen sie diese Entwicklung aus orthopädischer Sicht?

Diese Entwicklungen betreffen Kinder ab dem Schulalter, da Kleinkinder die bspw. in den Kindergarten gehen ohnehin noch ein Tagesprogramm an Bewegung bekommen. Ab dem Schulalter beginnt die Zeit des Sitzens. Kinder sitzen in der Schule und beim Hausübung machen. Zudem kommt, dass Kinder ihre Freizeit aufgrund der heutigen Technologie vermehrt vor Spielekonsolen oder Fernsehern verbringen. Auffallend ist, dass der Rücken besonders nach den großen Wachstumsschüben, d.h. nach dem 6-7 Jahr und nach dem Wachstumsschub in der Pubertät (10-13 Jahre) größere Probleme macht.

Für eine gute Entwicklung des Körpers ist auch eine ausreichende Portion Sport bzw. Bewegung wichtig. Genau diese tägliche Bewegung, die im Kindergarten noch gefördert wird, schläft im Schulalter dann meist ein. Ab diesem Zeitpunkt ist es wichtig, dass Eltern sportliche Aktivitäten fördern.

Aus meiner Sicht sollte Kindern gar ab dem Kleinkindalter Sport als Alltagsprogrammpunkt mitgegeben werden. Es gibt zahlreiche Sportarten, die für die kindliche Wirbelsäule sehr gut sind, darunter fallen z.B. Schwimmen, Klettern, Bouldern, kindergerechte Kampfsportarten und Volley- bzw. Handball. Eine weitere Maßnahme ist das Fördern verschiedener Sitzpositionen, denn unergonomische und monotone Sitzhaltungen verstärken das Problem meist noch.

Sollten im Schulalter Fehlhaltungen der Wirbelsäule auffallen, kann nach entsprechender Diagnose und nach Abstimmung mit Physiotherapeuten eine gezielte Sporttherapie gestartet werden. Dabei ist aus meiner Sicht sehr wichtig, dass den Kindern der Spaß am Sport mitgegeben wird. Ansonsten verpufft der Effekt nach Abschluss der Therapie, wenn die Kinder in ihre alten Muster zurückkehren.

„Auffallend ist, dass der Rücken besonders nach den großen Wachstumsschüben, d.h. nach dem 6-7 Jahr und In der Pubertät (10-13 Jahre), größere Probleme macht.

Herr Dr. Scheibl, abschließend noch eine Frage. Macht es aus Ihrer Sicht Sinn, mit den Kindern zu einem regelmäßigen orthopädischen Kontrolltermin, auch wenn dieser nicht vorgesehen ist, zu gehen?

In Österreich sind Untersuchungstermine lt. Mutter-Kind-Pass vorgeschrieben, allerdings in einem Intervall, dass es nicht ermöglicht die Entwicklung des Bewegungsapparates entsprechend darzustellen. Eine erste Untersuchung erfolgt rd. 3 Monate nach Gehbeginn. Danach hängt ein freiwilliger Kontrolltermin von der individuellen Situation ab. Bei familiären Vorbelastungen bietet sich an, regelmäßiger zu einem Orthopäden zu gehen. Dies insb. vor den großen Wachstumsschüben, da man da die größten Handlungsspielräume hat. Zusätzlich könnte man auch eine dynamische Fussdruckmessung im Alter von 4-5 Jahren machen.

Herr Dr. Scheibl, vielen herzlichen Dank für die interessanten und hilfreichen Einblicke.


Zur Person

Herr Dr. Ulrich Scheibl hat ein Studium der Humanmedizin an der Universität Wien sowie die Facharztausbildung zum Orthopäden und orthopädischen Chirurg absolviert. Er war unter anderem in der Orthopädischen Kinderklinik Aschau, der größten deutschen kinderorthopädischen Klinik, sowie am Orthopädischen Spital Speising in Wien tätig und führt seit Jahren seine eigene Ordination in Wien.

Zudem ist er ebenso als Kinderorthopäde im Kinderarztzentrum Schumanngasse in Wien tätig und betreut verschiedene weitere Rehabilitations- und Orthopädieeinrichtungen (bspw. St. Anna Kinderspital, Kinder- und Jugendrehabilitationszentrum Bad Erlach).

http://www.ortho-scheibl.at

Kinder- und Neuroorthopäde Dr. Ulrich Scheibl

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